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Von Stefan Hippler und Andrei Tokovinin Heidelberg im Februar 2024
Wellenfrontsensoren
Funktionsweise, Typen, Messgenauigkeit.
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Was ist eine Wellenfront?
Die Wellenfront (Phasenfront) einer elektromagnetischen Welle ist eine Fläche auf der alle Punkte die gleiche Phase besitzen. All diese Punkte haben somit den gleichen Abstand zur Lichtquelle, welche die elektromagnetische Welle emittiert. Die Wellenfront ist senkrecht zur Ausbreitungsrichtung des Lichtstrahls orientiert. Die Schwingungsebene der elektromagnetischen Feldvektoren ist tangential zur Wellenfront.

Die von Sternen (Punktquellen) ausgesandten Wellenfronten sind kugelförmig (siehe Bild rechts).
Aufgrund der extrem großen Abstände der Sterne von der Erde, sind die im Erdorbit (ohne Atmosphäre) von Sternen empfangenen Wellenfronten plan (Krümmungsradien >> 1 parsec im Vergleich zur Öffnung von Großteleskopen, die im Bereich 10 Meter liegen).
Nach dem Durchqueren der Erdatmosphäre ist die Wellenfront gestört (siehe Bild rechts außen). Die Differenzen der optischen Weglänge (OPD, Optical Path Difference) betragen einige Mikrometer.

Links: Ideale, kugelförmige Wellenfront (rote Linie) eines Sterns (Punktquelle) in großem Abstand. Rechts: Aberrierte Wellenfront nach Durchlaufen der Erdatmosphäre.
Charakterisierung einer Wellenfront - Anforderungen an den Wellenfrontsensor (WFS)
Die Bestimmung von Wellenfrontfehlern bzw. Abbildungsfehlern ist oftmals eine Routineaufgabe im Bereich der Optik, beispielsweise bei der Herstellung von Linsen, Spiegeln oder Teleskopen. Diese Aufgabe wird im Labor meistens mit Hilfe von Laser-Interferometern, z.B. dem Twyman-Green oder dem Fizeau-Interferometer, gelöst.

Im Bereich Adaptive Optik in der Astronomie, wo es um durch die Atmosphäre verursachte Abbildungsfehler geht, ist dieser Ansatz nicht nutzbar. Als Lichtquelle steht nur das Licht von Sternen bzw. künstlichen Laserleitsternen zur Verfügung. Mit den bisher verfügbaren Laserleitsternanlagen sind aber noch keine interferometrischen Wellenfrontmessungen möglich.

Vielmehr nutzt man das Licht von Laserleitsternen genau so wie das inkohärente, nicht monochromatische Licht von natürlichen Sternen zur Wellenfrontanalyse. Ist kein ausreichend heller Laserleitstern verfügbar, ist die Anforderung an den Wellenfrontanalysator möglichst alle ankommenden Photonen zur Wellenfrontcharakterisierung zu nutzen, unabdingbar, um überhaupt Adaptive Optik betreiben zu können.
Der Wellenfrontanalysator muss einen möglichst linearen Messbereich von einigen Mikrometern haben. Nach Noll ist die Phasenvarianz (in rad2) in etwa durch (D/r0)1.6 gegeben (siehe Kapitel über atmosphärische optische Turbulenz). Für ein D=8-m Teleskop, einem r0 von 0.1m und einer Wellenlänge von 1µm muss der Wellenfrontanalysator einen Phasenhub von ca. 10 Mikrometern vermessen können.
Die Messgenauigkeit sollte mindestens ein Zehntel der Wellenlänge betragen, bei der die Wellenfrontkorrektur erfolgt (also beispielsweise 200nm bei einer Adaptiven Optik die im K-Band bei 2.2µm arbeitet).

Da die relevante atmosphärische Zeitkonstante bei einigen Millisekunden im sichtbaren Spektralbereich und einigen zehn Millisekunden im nahen Infrarot liegt, muss der Wellenfrontsensor in der Lage sein, die Wellenfront 100 bis 1000 Mal pro Sekunde zu bestimmen. Diese Anforderungen werden von unterschiedlichen Wellenfrontsensoren erfüllt.
Ganz allgemein werden zur Wellenfrontbestimmung die Phasen nicht direkt gemessen, sondern über Intensitätsmessungen bestimmt. Dabei besteht jeder Wellenfrontsensor aus folgenden Komponenten (siehe Abbildung):

Genereller Aufbau eines Wellenfrontsensors. Das Licht des Leitsterns durchläuft die optisch turbulente Atmosphäre bevor es vom Teleskop empfangen wird. Am Teleskopausgang befindet sich der Wellenfrontsensor mit Computer zur Rekonstruktion der Wellenfront aus Intensitätsvariationen.
Ein optischer Analysator transformiert die Phasenstörungen in Intensitätsvariationen. Die Intensitätstransportgleichung nach M.R. Teague [Deterministic phase retrieval: a Green function solution, J. Opt. Soc. Am., vol. 73, pp. 1434-1441, 1983] verbindet Intensitäten \( I(xyz) \) und Phasen \( \phi(xyz) \) wie folgt miteinander: \[ \frac{2\pi}{\lambda} \frac{\partial}{\partial z} I(xyz) = - \nabla_{xy} \cdot \left ( I(xyz) \nabla_{xy} \phi(xyz) \right ) \hspace{1cm} (1) \]I Die Intensitätstransportgleichung (1) gilt für Strahlen, die parallel zur optischen Achse z laufen bzw. nur mit sehr kleinen Winkeln davon abweichen. Unter Anwendung der Produktregel für den Nabla-Operator erkennt man, dass über Intensitätsvariationen sowohl der Gradient der Wellenfront als auch die zweite Ableitung der Wellenfront (Laplace-Operator, Curvature) bestimmt werden kann. Dies wird später noch eine Rolle spielen, wenn die verschiedenen Wellenfrontsensoren diskutiert werden.

Der Lichtdetektor, z.B. ein CCD, wandelt einfallendes Licht in ein elektrisches Signal. Das Signal wird digitalisiert und im Computer daraus die Wellenfront (Phasenaberrationen) rekonstruiert. Verschiedene Rauschquellen erschweren eine korrekte Rekonstruktion der Wellenfront.
Der Rekonstruktor hat die Aufgabe aus den Sensorsignalen (Gradienten oder zweite Ableitung der Wellenfront) die Phase zu bestimmen.
Jeder reale Wellenfrontsensor hat eine begrenzte räumliche (x,y) Auflösung, die idealerweise der Größe der Korrekturelemente bzw. dem Abstand benachbarter Aktuatoren entspricht. Wellenfrontfehler auf kleineren räumlichen Skalen können also weder gemessen noch korrigiert werden.
Dennoch können solche Wellenfrontfehler das Messsignal beeinflussen und zum so genannten Aliasing-Fehler führen.
Dieser Fehler führt beispielsweise im Audiobereich dazu, dass bei zu geringer Abtastrate von hohen Frequenzen, sich neue Frequenzen bilden, die vorher nicht im Ton enthalten waren (siehe Abbildung links). Im Audiobereich schafft ein Anti-Aliasing-Filter Abhilfe, der keine Frequenzen durchläßt, die oberhalb der halben Abtastrate liegen.

Ähnliches wird zur Zeit auch für Wellenfrontsensoren entwickelt, Raumfilter die nur Raumfrequenzen zum Wellenfrontsensor durchlassen, die dieser auch messen kann. Da die Amplitude der Phasenstörungen mit zunehmender Raumfrequenz abnimmt (siehe Gl. 9 im Kapitel über atmosphärische optische Turbulenz), spielen Aliasing-Fehler oft erst bei der Korrektur hoher Raumfrequenzen (extreme adaptive optics) eine Rolle.
Abbildung zur Verdeutlichung des Aliasing-Fehlers. Hohe Frequenzen im Eingangssignal (durchgezogene Linie) erscheinen als niedrige Frequenz im Messsignal (gestrichelte Linie). Die Abtastpunkte sind durch gepunktete Linien markiert.
Der Shack-Hartmann Wellenfrontsensor (SHS)


Abbildung zum Messprinzip des Shack-Hartmann-Wellenfrontsensors (SHS). Die einfallende, durch die Atmosphäre gestörte Lichtwelle (Wellenfront) wird von einem Mikrolinsenarray (Linsenraster) in kleinere Flächen zerlegt.
Jede Mikrolinse erzeugt ein Bild, dessen Zentrum entsprechend der Neigung der Wellenfront über der Mikrolinse gegenüber einer Referenzposition verschoben ist. Die lateralen Verschiebungen dx und dy können mit einem ortsempfindlichen Detektor, beispielsweise einer CCD-Kamera, gemessen werden.
Die Hartmann-Methode wurde im Jahr 1900 von Johannes Hartmann (1865–1936) entwickelt, damals Professor für Astronomie in Potsdam. Zum Testen einer optischen Linse wird hierbei eine Maske mit Löchern benutzt, welche hinter der Linse angebracht wird. Durch jedes dieser Löcher lässt sich eine Abbildung erzeugen. Die Position dieser Abbildung auf dem Bildschirm hängt von der lokalen Neigung der Lichtwellenfront über der Lochmaske ab.

Ende der sechziger Jahre hatten Ben Platt und Roland Shack von der Universität von Arizona die Idee, die Hartmann-Löcher durch kleine, in einem Gitter angeordnete Linsen zu ersetzen. Dies hat den entscheidenden Vorteil, dass man unter Verwendung eines Strahlteilers gleichzeitig die Linse (oder das Teleskop) normal benutzen und mit dem Sensor ihre optische Qualität vermessen kann. Bei der klassischen Hartmann-Methode liegt die Maske hingegen direkt auf dem Spiegel oder der Linse des Teleskops.

Ein Shack-Hartmann-Sensor (SHS) unterteilt die Wellenfront in ein Gitter kleinerer Bereiche, welche durch die Mikrolinsen individuell abgebildet werden und ein Gitter von Punktbildern erzeugen (Abb. links). Die laterale Verschiebung dieser Punktbilder misst lokale Wellen­front­neigungen über den Flächen der Mikrolinsen. Sie wird auf vorher bestimmte Referenzpositionen bezogen, welche einer perfekt ebenen Welle entsprechen. Aus den lokalen Neigungen, mathematisch gesehen also den ersten Ableitungen der Wellenfront, lässt sich dann der Wellenfrontfehler bestimmen.
Die einzelnen Mikrolinsen des Gitters messen typischerweise einen Millimeter, die Positionen der Punktbilder werden mit CCD-Kameras gemessen. Modernste (EM)CCDs für die Adaptive Optik besitzen bis zu 240 x 240 Pixel und lassen sich bis zu 2000-Mal pro Sekunde auslesen (z.B. e2v CCD220 L3Vision Sensor).

Mikro-Linsenmaske

Das Foto links zeigt vier Shack-Hartmann-Mikrolinsenarrays, eingedrückt auf eine dünne Epoxidfolie und aufgeklebt auf eine Glasplatte. Die hexagonalen Mikrolinsen haben Durchmessern von 0.5 mm (rechts) bis 1 mm (links).
Die Verschiebung der Shack-Hartmann Spots dx, dy is gegeben durch:

dx = f M ax (2)

dy = f M ay (3)

f ist die Fokallänge der Mikrolinsen, M eine Vergrößerung oder Verkleinerung zwischen der Mikrolinsenebene und z.B. der Teleskopeintrittspupille, ax bzw. ay ist die mittlere Verkippung (in Radian) der Wellenfront über die einzelne Mikrolinse in x- bzw. y-Richtung. Für die optische Weglängendifferenz OPD in Einheiten der Wellenlänge gilt:

OPD = a dsub / L (4)

mit dem Kippwinkel a in Radian, dsub dem Durchmesser der einzelnen Mikrolinse (Sub-Apertur) und der Wellenlänge L. Somit folgt aus (2), (3) und (4):

dx = f M L OPD / dsub (5)

wobei hier wiederum OPD in Einheiten der benutzten Wellenlänge L zu nehmen ist. Gleiches gilt für dy.
Der SHS ist achromatisch, d.h. die gemessenen Gradienten der Wellenfronten sind unabhängig von der Wellenlänge. Der SHS funktioniert an Punktquellen und ausgedehnten Quellen. Der Fehler bei der Bestimmung der Gradienten einzig aufgrund des Photonenrauschens ergibt sich aus folgender Überlegung.

β bezeichne den Winkeldurchmesser (Halbwertsbreite) jedes Bildes (auch Shack-Hartmann Spot genannt) einer SHS Sub-Apertur in Radian. Für ausgedehnte Quellen ist β gleich der Halb­werts­breite der Quelle. Für Punktquellen dagegen ist β = L/dsub für den Fall, dass die Sub-Aperturen kleiner als r0 sind (beugungsbegrenzte Bilder), oder β = L/r0 für große Sub-Aperturen für welche die Abbildung Seeing begrenzt ist.

Die Intensitätsverteilung der SHS Spots kann als Wahr­schein­lich­keits­dichte-Verteilung der ankommenden Photonen betrachtet werden (siehe Abbildung rechts). Somit kann für jedes ankommende Photon seine Position bestimmt werden, naturgemäß mit einem Fehler der Größe β.

Werden n Photonen während der Belichtungszeit detektiert, wird der Messfehler bei der Positionsbestimmung (letztlich also dem Gradienten) zu \( \beta/\sqrt{n} \), so als würde die Messung n Mal wiederholt.
Wir multiplizieren den Gradientenfehler (Winkelfehler) mit
\( \frac{2\pi}{\lambda}d \) (L = λ, d = dsub) und erhalten die Varianz der Phasendifferenz zwischen den Ecken der Sub-Aperturen in Quadratradian:
\[ \langle \epsilon^2_{phot} \rangle = \frac{4\pi^2}{n} \left ( \frac{\beta d}{\lambda} \right )^2 \hspace{1cm} (6) \] Im photometrischen R-Band mit einer Breite von 138nm und einer zentralen Wellenlänge von 658 nm, erzeugt ein Stern der Helligkeit V=0 in etwa 1.1E6 Photoelektronen pro Sekunde und pro Quadratzentimeter in einem CCD Detektor mit einer Quanteneffizienz bei dieser Wellenlänge von 0.8 Photoelektronen/Photon.

Für einen Stern der Magnitude m, ändert sich der Photonenfluss um den Faktor 10-0.4m. Um die genaue auf den Detektor auftreffende Photonenzahl zu bestimmen ist noch die Transmission der Atmosphäre sowie der Optiken einzubeziehen. Dies kann leicht eine Verringerung des Flusses um 50% bewirken.

Der Gesamtfehler (Varianz) bei der Rekonstruktion der Wellenfront ist proportional zu \( \langle \epsilon_{phot}^2 \rangle \) multipliziert mit dem sogenannten Fehlerfortpflanzungs-Koeffizienten. Dieser ist für den SHS proportional zur Anzahl der Sub-Aperturen N-0.1 (Kellerer und Kellerer 2011, JOSA A, 28, p. 801) bzw. proportional zum natürlichen Logarithmus von N (David Fried 1977, JOSA 67, p. 370 als auch Richard Hudgin 1977, JOSA 67, p. 375).

Aufgabe:
Berechne die Anzahl der Photoelektronen die in 1 ms pro quadratischer Sub-Apertur mit 1m Durchmesser von einem Stern der Helligkeit V=15 in einem CCD Detektor erzeugt werden. Die Gesamttransmissioin betrage dabei 30% und die Quanteneffizienz des CCD 60%.
Der Curvature Wellenfrontsensor (CWS)
Der erste Curvature (= Krümmungs)-Wellenfront-Sensor (CWS) wurde Anfang der neunziger Jahre von Francois Roddier an der University of Hawaii entwickelt. Dank seiner exzellenten Leistungsfähigkeit, insbesondere in AO-Systemen mit wenigen Korrekturelementen, wurde der CWS schnell so populär wie der SHS. Die Idee des CWS besteht darin, die Intensitätsverteilung in zwei Ebenen zu messen, einmal vor dem Fokus (intra-fokal) und einmal nach dem Fokus (extra-fokal). Die Differenz beider Bilder ist ein Maß für die Krümmung der Wellenfront, mathematisch betrachtet ihre zweite Ableitung. Das Prinzip ist in der folgenden Abbildung schematisch dargestellt.

Die in den beiden Ebenen A und B gemessenen Intensitäten kann man sich als defokussierte Bilder der Teleskop-Pupille vorstellen. Eine gestörte, gekrümmte Wellenfront führt zu einer erhöhten Intensität in A und zu einer verringerten Intensität in B. Aus dem lokalen Kontrast in den beiden Bildern ergibt sich die Krümmung der Wellenfront. An den Rändern lässt sich die Verkippung (Engl. tilt) der Wellenfront bestimmen.
Der Abstand der beiden Messebenen A und B von der Fokalebene ist ein wichtiger Parameter des CWS, um auf unterschiedliche Seeing-Bedingungen sowie Helligkeit und Winkeldurchmesser der Referenzquelle Rücksicht zu nehmen. Dieser Parameter wird oft auch optische Verstärkung (optical gain) genannt. Je kleiner der Abstand der Messebenen zum Fokus ist, desto geringer ist das Rauschen des CWS. Gleichzeitig wird jedoch der dynamische Messbereich verkleinert. Man kann somit den CWS im laufenden Betrieb an die jeweiligen Bedingungen anpassen.

Der CWS besteht in der Regel aus einem Mikrolinsen-Array, von dem optische Glasfasern das Licht direkt auf Photodioden (sogenannte Avalanche Photo Diodes, APD) lenken. Die Empfindlichkeit heutiger APDs ähnelt derjenigen von CCDs. Jedoch haben APDs einen entscheidenden Vorteil: Es gibt bei ihnen kein Ausleserauschen. Damit sind sie auch bei sehr hohen Ausleseraten im Kilohertz-Bereich bestens einsetzbar. Die Abwesenheit des Ausleserauschens führt zu einer bedeutsamen Steigerung der Empfindlichkeit und damit auch zu einer besseren Himmelsabdeckung. Das ist der Hauptvorteil des CWS gegenüber anderen auf CCDs basierenden Wellenfrontsensoren.
Galactic Center, CFHT 1996
Messprinzip des Curvature-Wellenfront-Sensors (CWS). Eine lokal gekrümmte Lichtwelle erzeugt in der intra-fokal Ebene A eine höhere Intensität als in extra-fokal Ebene B. Im hier gezeigten Beispiel liegt der Fokus der gestörten Lichtwelle vor dem Teleskopfokus. Der Wellenfrontfehler erscheint als Intensitätsdifferenz der beiden Bilder A–B. Die Intensitätsbilder wurden mit dem MACAO System der ESO aufgenommen.
Bezeichnet \( I_1(\vec{r}) \) die Intensitätsverteilung des Sterns in der Ebene A (intra-fokal), defokussiert um eine Länge l, und \( I_2(\vec{r}) \) - die entsprechende Intensitätsverteilung in der Ebene B (extra-fokal) mit \( \vec{r} \) als Koordinatenvektor in der jeweiligen Bildebene und F als Fokallänge des Teleskopes. Die beiden Bilder entsprechen dann um den Faktor \( \frac{l}{F-l} \) verkleinerten "Pupillenbildern" des Teleskopes.
Betrachtet man eine einfallende Wellenfrontkrümmung näherungsweise mit geometrischer Optik, so erzeugt diese ein helleres und ein dunkleres Bild; die normalisierte Intensitätsdifferenz der beiden Bilder (also eine Punkt für Punkt Differenz) kann wie folgt geschrieben werden: \[ \frac{ I_1( \vec{r} ) - I_2( \vec{r} ) }{I_1( \vec{r} ) + I_2( \vec{r} )} = \frac{ \lambda F (F - l) }{2\pi l} \frac{\partial}{\partial n} \phi \left [ \left ( \frac{F \vec{r}}{l} \right ) \delta_c - \nabla^2 \phi \left ( \frac{F \vec{r}}{l} \right ) \right ] (7) \]
\( \nabla^2 = \frac{\partial}{\partial x^2} + \frac{\partial}{\partial y^2} \) ist der Laplace-Operator mit dem die Krümmung, also die 2. Ableitung, der Phasenverteilung \( \phi(\vec{x}) \) berechnet wird. Der erste Term in den eckigen Klammern ist der Phasengradient in radialer Richtung nach Außen an der Aperturgrenze (im englischen edge) multipliziert mit der "edge" Function \( \delta_c \). Bei Teleskopen mit zentraler Abschattung entsprechend auch an der inneren Aperturgrenze. Die Wellenfrontverkippung kann beim CWS nur an den Aperturgrenzen gemessen werden. Der CWS ist achromatisch, da \( \phi(\vec{x}) \) inverse proportional zu λ ist. Wichtig festzustellen ist, dass die Empfindlichkeit des CWS invers proportional zu Defokussierlänge l ist.
Für eine Referenzquelle mit dem Winkeldurchmesser β (Halbwertsbreite), werden die extra- und intra-fokal Bilder um den Faktor β(F - l) verschmiert. Diese Unschärfe (englisch: blur, hier: Fokus Blur) darf nicht größer sein als die projizierte Größe einer Sub-Apertur d: \[ \beta (F - l) < \frac{l}{F}d \hspace{1cm} (8) \]

Die Defokussierlänge ist immer deutlich kleiner als die Fokallänge F, somit gilt näherungsweise für die minimale Defokussierung:

\[ l > \beta \frac{F^2}{d} \hspace{1cm} (9) \]

Um Wellenfronten mit höherer Auflösung (kleine d) zu vermessen sind entsprechend Gl. 9 größere Defokussierlängen l nötig, als Nebeneffekt nimmt die Empfindlichkeit nach Gl. 7 ab. Allein daran ist schon zu erkennen, dass der CWS Probleme bekommt bei der Bestimmung von Wellenfrontfehlern sehr hoher Ordnung.

Für Punktquellen und große Sub-Aperturen ist der Winkeldurchmesser β bestimmt durch das Seeing bzw. die atmosphärischen Aberrationen, also, β = λ/r0. Ist die Adaptive Optik aktiv, die Regelschleife geschlossen und die Korrektur bei der Wellenlänge des Wellenfrontsensors gut bis sehr gut, reduziert sich der Winkeldurchmesser zu β = λ/d; dies erlaubt eine Reduzierung der Defokussierlänge bei gleichzeitiger Steigerung der Empfindlichkeit. Dies wird in begrenztem Umfang in bestehenden CWS Systemen angewandt.

Die räumlich hochfrequenten Wellenfrontstörungen, solche die kleiner sind als die Größe einer Sub-Apertur, zeigen eine spektrale

Energieverteilung (Powerspektrum, Varianz der Fourier Amplituden) welche proportional zu f-11/3 ist (siehe auch Kolmogorov Spektrum für Brechungsindex Fluktuationen). Hierbei bezeichnet f die Raumfrequenz. Hingegen ist das Krümmungs-Spektrum des CWS proportional zu f1/3 und kann somit bei hohen Raumfrequenzen zu Alias Fehlern führen. Um das zu verhindern wird das Signal, bevor es räumlich abgetastet wird, geglättet. Eine Glättung kann durch eine Reduzierung der Defokussierlänge l erreicht werden bei gleichzeitiger Erhöhung der Empfindlichkeit.

Zusammengefasst, die Wahl von l in einem CWS hat sehr starken Einfluß auf das Verhalten des CWS und sollte immer auf die aktuellen Seeing Bedingungen abgestimmt werden. Das Messsignal eines CWS ist mehr oder weniger eine grobe Näherung an die wahre Krümmung der Wellenfront...

Ohne Herleitung (siehe Kapitel Wavefront sensors von Gérard Rousset, Gl. 5.45, im Roddier Buch Adaptive Optics for Astronomy) folgt die Formel für den Wellenfrontmessfehler, die Phasenvarianz in radian2 einzig aufgrund des Photonenrauschens (n ist die Anzahl der Photonen) ohne Hintergrundstrahlung in einem CWS mit optimaler Defokussierlänge:

\[ \langle \epsilon^2_{phot} \rangle = \frac{\pi^2}{n} \left ( \frac{\beta d}{\lambda} \right )^2 \hspace{1cm} (10) \]

Wie für den SHS, ist dies die Phasenvarianz für eine Sub-Apertur. Um den gesamten Wellenfrontrekonstruktionsfehler (Varianz) zu ermitteln wird \( \langle \epsilon_{phot}^2 \rangle \) mit dem sogenannten Fehlerfortpflanzungskoeffizienten multipliziert. Dieser ist für den CWS proportional zur Anzahl der Sub-Aperturen N (Kellerer und Kellerer 2011, JOSA A, 28, p. 801).

Bei der Wellenfront-Rekonstruktion von Messwerten des CWS werden die niedrigen Raumfrequenzen verstärkt, d.h. der Rekonstruktionsfehler steckt hauptsächlich in den niederen Moden. Das ist wiederum ein Indiz für ein potentielles Problem des CWS in AO Systemen sehr hoher Ordnung (z.B. extreme AO). Verschiedene Untersuchungen haben gezeigt, dass die Performance von Shack-Hartmann und Curvature Wellenfrontsensoren für System nicht nicht allzu hoher Ordnung sehr ähnlich sind. (F. Rigaut et al., Applied Optics, V. 36, P. 2856, 1997).

Die Skalierung der intra- und extra-fokal Bilder hängt von der Defokussierlänge l ab und müsste im Betrieb des CWS angepasst werden. Dies ist in der Regel ungünstig; in existierenden Systemen werden die CWS Bilder daher mit nur einer Kamera und fester Skala in der Pupillenebene aufgenommen und dafür die Defokussierlänge abwechselnd zwischen intra- und extra-fokal geändert. Dazu wird ein spezielles optische Element, eine oszillierende Membran, genutzt (siehe weiter unten).

Die Messsignale der äußeren Sub-Aperturen des CWS, die an die Grenze der Pupille projiziert werden (äußerer Ring im Bild oben) erlauben es die Verkippung der Wellenfront (den Phasengradienten) in radialer Richtung zu bestimmen. Dies beinhaltet auch die globale Verkippung der Wellenfront, also Tip und Tilt.

Die in der Astronomie eingesetzten CWS basierenden AO Systeme (PUEO, Hokupa'a, MACAO, Subaru AO188) nutzen als Detektoren Avalanche Photodioden (APDs) als Lichtdetektoren, beispielsweise Module von Perkin Elmer, SPCM-AQR, mit Totzeiten unter 100ns.

CCD Detektoren in CWS Systemen wurden mehrfach untersucht und als Alternative vorgeschlagen, bislang aber noch nicht regelmäßig an Teleskopen eingesetzt. Der Vorteil von APDs liegt im schnellen und Rauschfreien Auslesen. Dagegen ist ihre Quanteneffizienz niedriger als die von modernen CCD Detektoren.

Der CWS vermisst ähnlich wie der SHS die Wellenfrontstörungen in Sub-Aperturen verteilt über die Teleskoppupille. Sind beim SHS Sensor die Sub-Aperturen oft regelmāßig in einem quadratischen Gitter angeordnet, werden beim CWS die Sub-Aperturen in der Regel der Geometrie des Korrekturspiegels, einem bimorphen Spielel, angepasst (siehe vorheriges Kapitel, Elektrodenanordnung des MACAO bimorphen Spiegels). Das im MACAO System verwendete Mikrolinsen-Maske (lenslet array) ist im Bild rechts gezeigt.

Dabei werden die Sub-Aperturen der Mikrolinsenmaske direkt über Glasfasers mit den APD Detektoren verbunden (siehe Bild rechts). Somit ist die Anzahl der APD Detektoren gleich der Anzahl der Sub-Aperturen. Die Messsignale der Sub-Aperturen an der Pupillengrenze nach Außen liefern den Gradienten der zu bestimmenden Wellenfront.
Damit nun jeweils das gleiche APD sowohl das intra- als auch extra-fokale Bild detektiert, wird mit Hilfe einer oszillierenden Membran zwischen beiden Fokalebenen gewechselt. Beim MACAO System geschieht dies beispielsweise mit einer Frequenz von 2.1 kHz. Die APD Detektoren "zählen" die ankommenden Photonen, nach jeder Membranoszillation werden die gemessenen Photonenzahlen für die beiden Membranstellungen, intra- und extra-fokal, an den Echtzeitcomputer übertragen. Hier können die Zählraten entsprechend der gewählten Zykluszeit der Adaptiven Optik aufsummiert werden, bevor die Wellenfront rekonstruiert und korrigiert wird.


Optisches Design eines CWS Systems nach Beletic et al. 2000.

Die Defokussierlänge l is inverse proportional zur Amplitude der Membranoszillation. Diese Amplitude kann an unterschiedliche Seeing-Bedingungen angepasst werden. Wird eine gute Korrektur erzielt kann die Amplitude weiter reduziert werden, womit der CWS empfindlicher wird.

Der CWS wurde erfolgreich mit Signalstärken von herunter zu 1 Photon pro Sub-Apertur und pro Zykluszeit der Adaptiven Optik betrieben. Beim MACAO System ist die typische Zykluszeit der Adaptiven Optik 420 Hz, also 1/5 der Membranfrequenz. Mit dieser Frequenz wird das Korrekturelement, der bimorphe Spiegel angesteuert.



Das MACAO Lenslet array mit insgesamt 60 Mikrolinsen nach Arsenault et al. 2003.
Der Pyramiden Wellenfrontsensor (PWS), in Vorbereitung ...
Rekonstruktion der Wellenfront, in Vorbereitung ...
Zusammenfassung dieses Kapitels
Ein Wellenfrontsensor ist der wohl kritischste Teil einer astronomischen Adaptiven Optik, da die zur Verfügung stehenden Referenzquellen (Sterne) in der Regel nicht sehr hell sind, dadurch die Messungen fehlerbehaftet sind und somit letztlich die Kompensation der optischen Turbulenz limitieren. Die drei gängisten Wellenfrontsensoren welche heutzutage in der beobachtenden Astronomie eingesetzt werden sind der Shack-Hartmann Wellenfrontsensor, der Curvature-Wellenfrontsensor und der Pyramiden-Wellenfrontsensor. Für alle 3 kann das Photonenrauschen sowie der Wellenfrontrekonstruktionsfehler als Funktion der Referenzsternhelligkeit und weiterer Systemparameter berechnet werden.
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